„Kontinuität in der Immanuel Diakonie“

Gespräch mit Jürgen Witzemann, stellv. Vorsitzender des Kuratoriums der Immanuel Diakonie (entnommen der Immanuel Impuls 11_2011).
Jürgen Witzemann
Jürgen Witzemann wurde vor 63 Jahren im schwäbischen Albstadt geboren, ist verheiratet und hat 4 erwachsene Söhne. Zum Studium der Betriebswirtschaftslehre kam er vor 43 Jahren nach Berlin und zu den Baptisten in Schöneberg. Beruflich war er 36 Jahre in verschiedenen kaufmännischen Aufgaben in der Industrie tätig, zuletzt als Leiter des Controlling bei einer Tochtergesellschaft der Firma Bayer. Seit Mitte dieses Jahres ist er im Ruhestand. In der Gemeinde Schöneberg gehört er seit den 70er Jahren zur Gemeindeleitung und zum Kuratorium. Als besondere Aufgabe hat er dort auch das Amt des Kassenverwalters inne. Seine Freizeit verbringt er gerne im Konzertsaal, auf Reisen, bevorzugt in den Bergen, und im Winter beim Skiurlaub.

Wie wirtschaftlich kann/darf/muss Diakonie sein?

Es wird oft als ein Konflikt angesehen, dass soziale Unternehmungen der Diakonie sich auch den Anforderungen nach Wirtschaftlichkeit stellen müssen. Schließlich wollen wir mit unserem diakonischen Handeln einen höchstmöglichen „Gesundheitsgewinn“ erzielen und das ist manchmal eben nur durch zusätzlichen Einsatz und erhöhte Kosten zu erreichen.

Wir achten z. B. darauf, dass unsere Krankenhäuser Seelsorger beschäftigen, auch weil der Gesundungsprozess dadurch nachgewiesenermaßen gefördert wird. Damit und auch mit vielen anderen Aktivitäten sind wir nicht nur „heilend“ tätig, sondern auch „präventiv“ ausgerichtet, auch wenn diese Art der Gesundheitsvorsorge oft nicht extern finanziert wird. Andererseits ist allgemein bekannt, dass die finanziellen Mittel im Gesundheitswesen knapp sind, egal ob es um die Finanzierung durch die Krankenkassen, die Pflegeversicherung oder um öffentliche Mittel zur Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern geht. Allein daraus ergibt sich für diakonische wie für andere Unternehmen die Notwendigkeit des sparsamen Umganges mit allen Ressourcen und damit der ständige Zwang zur Wirtschaftlichkeit.

Im Unterschied zur privaten Konkurrenz können diakonische Einrichtungen theoretisch ohne finanzielle Gewinne auskommen, da die Eigentümer auf eine Rendite des investierten Kapitals verzichten. Trotzdem lehrt die Erfahrung, dass auch in Einrichtungen der Immanuel Diakonie Überschüsse erzielt werden müssen, allein schon zur Finanzierung von Investitionen und von Leistungen, die von den normalen Kostenträgern nicht erstattet werden.

Wo beginnt der diakonische Auftrag?

Über Jahrhunderte hinweg haben Kirchen und Gemeinden Krankenhäuser und Heime gegründet und weiterentwickelt. Auch heute noch ist etwa ein Drittel der Krankenhäuser in Deutschland in kirchlicher Trägerschaft. Wir verstehen den diakonischen Auftrag als Mitarbeit am Wirken Gottes in der Welt und gründen hierauf unser Handeln und unsere Verantwortung gegenüber Patienten, Bewohnern, Klienten, Mitarbeitern und der Gesellschaft, eben „dem Leben zuliebe“. Der diakonische Auftrag für jeden Einzelnen wie auch für eine Kirchengemeinde beginnt also da, wo wir die Bibel ernst nehmen, entsprechend dem Auftrag Jesu handeln und uns um unsere Mitmenschen kümmern. Die Baptisten in Schöneberg haben das unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg erkannt und das „Hospital Feierabendheim“ gegründet, 1950 dann das Immanuel Krankenhaus in Berlin-Wannsee. Und nach der Wende gab es viele weitere Möglichkeiten für die Gemeinde, dieses Engagement auszuweiten. Es war jedes Mal eine bewusste Antwort auf die Frage, ob wir in der Übernahme der Verantwortung für eine Einrichtung unseren diakonischen Auftrag sehen. Wo hört der diakonische Auftrag auf? Der diakonische Auftrag generell wird wohl so lange bestehen bleiben, wie Menschen Hilfe brauchen. Wenn man die Frage etwas enger versteht, stellt sie sich vielleicht so: Unter welchen Voraussetzungen würden wir bestimmte Einrichtungen der Immanuel Diakonie aufgeben? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, und ich hoffe, wir werden in den nächsten Jahren nicht in eine solche Entscheidungs-situation kommen. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass ein stark zunehmender Kostendruck im Gesundheitswesen dazu führen kann, dass bestimmte Aufgaben nicht mehr finanziert werden können. Diese Situation haben auch kirchliche Häuser in den vergangen Jahrzehnten erlebt. Und trotz außerordentlichem Engagement der Mitarbeiter und dem Versuch, so sparsam zu wirtschaften wie irgend möglich, konnten sie ihre Arbeit nicht weiterführen und mussten aufgeben. In der Immanuel Diakonie ergibt sich durch die Organisation und die inzwischen erreichte Größe immerhin der Vorteil, dass temporäre finanzielle Engpässe einzelner Häuser aufgefangen werden können. Dauerhafte Verluste einer Einrichtung können und dürfen wir uns allerdings nicht erlauben, weil sie zu Lasten aller anderen Aufgaben gehen würden.

Wie langfristig orientiert sind die baptisten.schöneberg als Gesellschafterin?

Kurze Antwort: So langfristig wie möglich. Das heißt, es gibt keine Überlegungen, aus dem Engagement in der Immanuel Diakonie „auszusteigen“. Im Gegenteil: Wir unterstützen alle Bemühungen, die einzelnen Felder, in denen die Immanuel Diakonie tätig ist, zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Die vorgenommenen Restrukturierungen, auch durch die Dezentralisation von Verantwortung an lokale Geschäftsführer bzw. in die einzelnen Gesellschaften hinein, haben inzwischen schon dazu beigetragen, dass das Risiko der Abhängigkeit von Einzelpersonen oder auch von einer „Zentrale in Berlin“ reduziert wird.

Welche Führungs- und Unternehmenskultur wünscht sich das Kuratorium in der Immanuel Diakonie?

Auch wenn der Begriff des „partizipativen Führungsstils“ etwas abgedroschen klingen mag, stellt er doch dar, was wir gerne realisieren möchten und was die Unternehmenskultur prägen soll: Eine Stärkung der Eigenverantwortung aller Mitarbeiter und eine Identifizierung nicht nur mit der Aufgabe, sondern auch mit dem Team und dem gesamten Unternehmen. Durch offene Kommunikation, Transparenz von und Mitwirkung bei Entscheidungen kann gegenseitiges Vertrauen und Motivation wachsen. „Führen mit Zielsetzungen“ schafft die nötige Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern verschiedener Ebenen.

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