„Angelika, du wirst einmal in die Diakonie gehen.“

Wo kam dieser Satz her, der sich da plötzlich in meinem Kopf einnistete? Hatte ich ihn geträumt oder hatte ihn wirklich jemand zu mir gesagt? Erst langsam erinnerte ich mich – Schwester Clara. Ja, so war es.

Im Hof der Sophienkirche 1960

In meiner Heimatgemeinde gab es in den 50ziger und Anfang der 60ziger Jahre am Samstagnachmittag von 14 bis 16 Uhr eine Kinderstunde. Dort lernten wir die Anfänge des Stickens, Häkelns und Strickens. Noch heute habe ich ein Märchenbuch mit einer von mir gestickten Buchhülle.

Im zweiten Teil des Nachmittags gab es eine Andacht, einen Impuls oder eine Geschichte. Schwester Clara Gießmann eröffnete die Andacht immer mit denselben Worten: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh. 3,16) Ganz bestimmt haben wir als Kinder diesen Satz nicht verstanden, aber eingeprägt hat er sich uns auf jeden Fall. Und irgendwann hat Sr. Clara mir den Satz gesagt: „Angelika, du wirst einmal in die Diakonie gehen.“ Es muss vor 1964 gewesen sein, also war ich Grundschülerin.

Was hat der Satz mit mir gemacht? Hat er mich geprägt, beeinflusst in meinen Lebensentscheidungen?

Nein, ich habe aus freien Stücken auf meinen Studienplatz für Pädagogik verzichtet, nachdem ich das Abitur in Ostberlin gemacht hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, in diesem Staat zu unterrichten. Stattdessen bin ich in eine kirchliche Ausbildungsstätte gegangen, habe den Beruf der Psychiatriediakonin gelernt, der nicht staatlich anerkannt war. 20 Jahre arbeitete ich in der Diakonie, ehe ich nach der Wende an der Katholischen Fachhochschule studierte. Nach einer Zwischenstation im Bezirksamt bin ich nun schon wieder seit fast 14 Jahren in der Diakonie, in der Hospizarbeit, tätig.
Warum fällt mir der Satz gerade jetzt ein? In meinen Lebensentscheidungen hat er mich sicherlich nicht bewusst tangiert. Aber dass Menschen uns positiv prägen, wir uns gern an sie erinnern, dass ist etwas Wunderbares. Und Schwester Clara gehört zu den Menschen, die mich sehr wohlwollend ein Stück in meinem Leben begleitet haben, für mich gebetet haben und mich gesegnet haben Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Schwester Clara 1964

Vor einigen Jahren habe ich ihr Grab an der Müllerstraße besucht, sie gehörte zu den Diakonissen des Paul-Gerhard-Stiftes in Berlin-Wedding, die bis zum Mauerbau 1961 und teilweise darüber hinaus als Gemeindeschwestern in allen Berliner Gemeinden tätig waren.

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